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'Uns laßt endlich gerecht sein' oder wie ist es bei Machiavelli 'eigentlich gewesen'?
Machiavellis Lehre aus historiographischer Sicht: Georg G. Gervinus

Thesenblatt

I. Georg Gottfried Gervinus

II. Quellenlage

III. Forschungslage

IV. Literatur

V. Thesen

I. Georg Gottfried Gervinus

wurde am 20. Mai 1805 in Darmstadt als Sohn eines Weißgerbermeisters und Weinwirtes und geboren und wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf. Der junge Gervinus schwärmte für die Literatur der Romantik, insbesondere für Jean Paul. Die schulischen Lehrinhalte erschienen ihm langweilig und wirklichkeitsfremd, weshalb er das Gymnasium im Alter von 14 Jahren verließ. Um in das wirkliche Leben einzutauchen, begann er 1819 eine fünfjährige kaufmännische Ausbildung. Weiterhin ging er seinen literarischen Neigungen nach, träumte vom Ausbruch aus den beengten Verhältnissen, wollte Schauspieler oder Schriftsteller werden. 1825 entschied er sich zum Studium der Philologie in Giessen, wechselte aber kurze Zeit später enttäuscht nach Heidelberg, um dort bei Schlosser Geschichte zu studieren.

 Im Mai 1832 trat Gervinus eine knapp einjährige Reise nach Italien an. In Florenz erfuhr er von den repressiven Maßnahmen des deutschen Bundes als Reaktion auf das Hambacher Fest. In einem Brief vom 22. Juli 1832 an Carl Sell wendet sich Gervinus entschieden gegen einen gewaltsamen Widerstand. Stattdessen schienen dem bildungsbürgerlichen Optimisten passiver Widerstand und Bildung als angemessene Mittel, den reaktionären Kräften zu begegnen. Dies führte Gervinus zu dem Entschluss, seine Wissenschaft von nun an in den Dienst der nationalen Politik zu stellen. Seine Werke sollten zwar fachlich hohen Ansprüchen genügen, gleichzeitig aber auch zum populären Vortrag geeignet sein, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Vor diesem Hintergrund begann Gervinus seine intensivere Beschäftigung mit Machiavelli, den er während seiner Studien über die florentinische Historiographie für sich entdeckt hatte.

 Mit der Veröffentlichung des ersten Bandes der Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen wurde Gervinus 1835 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und erhielt einen Ruf als Ordinarius nach Göttingen. Als einer der Göttinger Sieben verlor er diese Stelle jedoch bereits 1837 wieder. Mit der Ausgabe des fünften Bandes schließt Gervinus sein Hauptwerk 1842 ab. 1844 wurde er Honorarprofessor in Heidelberg, wo er sich verstärkt publizistisch betätigte. Als verantwortlicher Redakteur leitet er bis Mitte 1848 die Deutsche Zeitung. In der Revolution wagte Gervinus den Gang in die Politik. Er wurde Mitglied der Nationalversammlung und nahm an den Verfassungsberatungen des Siebzehnerausschusses teil. Der gemäßigte Liberale zog sich jedoch bald resigniert von der aktiven Politik in sein `refugium’ Bildung zurück, als die Hoffnung auf eine Einigung mit den einzelstaatlichen Regierungen scheiterte. Seine Werke blieben allerdings weiterhin auf politische Wirkung ausgerichtet, was ihm 1853 einen Hochverratsprozess einbrachte, der zum Verlust der Lehrbefugnis führte. In den Jahren bis zu seinem Tode isolierte sich Gervinus zusehends, indem er sich bis zuletzt weigerte, die national-konservative Wende der Mehrheit seiner politischen Weggefährten und Kollegen mit zu vollziehen. Gervinus starb am 17. März 1871 in Heidelberg.

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II. Quellenlage

Die Werke Georg Gottfried Gervinus wurden zumeist schon zu Lebzeiten veröffentlicht und sind daher gut verfügbar. Im Hinblick auf die Rezeption Machiavellis muss neben dem Werk über die florentinische Geschichtsschreibung (1833) v.a. die nach dem Tod seiner Frau 1893 veröffentlichte Autobiographie aus dem Jahr 1860 genannt werden. Anlässlich einer Rezension zu Artauds Machiavel charakterisiert Gervinus durch vergleichende Darstellung seine eigene Machiavelli-Schrift (1834). Seine Auffassung von Geschichte und den Aufgaben eines Historiker bringt er in den Grundzügen der Historik zum Ausdruck (1837).

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III. Forschungslage

Seine Überzeugung, die deutsche Einheit könne dauerhaft nur in Form einer föderativen Republik erreicht werden, isolierte Gervinus in den letzten Jahrzehnten seines Lebens zunehmend. In dem Maße wie sich die historische Schule Rankes als Grundlage der modernen Geschichtsschreibung durchsetzen konnte, erschien der Heidelberger Historiker von der Zeit überholt. Seine Werke wurden "nur noch, wenn überhaupt, als Quelle für bestimmte Auffassungen und Anschauungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewürdigt und benutzt" (Gall, S. 493). Nach den Erfahrungen der beiden Weltkriege nahm das Interesse an dem Kritiker des durch Kriege geeinten, militärisch-monarchisch geprägten Deutschland wieder zu. Durch Betonung seiner aufrichtigen liberalen Gesinnung wurde der Versuch einer Ehrenrettung des im wilhelminischen Deutschland in Ungnade Gefallenen unternommen.

Die Literatur zu Gervinus ist reichhaltig. Grundlegende Arbeiten bieten Gangolf Hübinger, Jonathan F. Wagner und Leonhard Müller. Hier wird auch die Ausseinandersetzung mit Machiavelli beschrieben. Explizit befaßt sich eine der 16 Studien Aleš Polcars mit der Rezeption des Florentiners durch Gervinus. Leider bietet der Text kaum mehr als eine gelungene Zusammenfassung. Lothar Gall portraitiert den Historiker Gervinus. Eine Darstellung des politischen Geschichtsschreibers der Heidelberger Schule findet sich bei Wolgast. Den zur Zeit der Revolution 1848/49 politisch aktiven Gervinus beschreibt Kohnle. Als Einstieg kann das erste Kapitel bei Carl empfohlen werden.

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IV. Literatur

Carl, Rolf-Peter, Prinzipien der Literaturbetrachtung bei Georg Gottfried Gervinus, Bonn 1969.

Gall, Lothar, Georg Gottfried Gervinus, in: Deutsche Historiker, hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler, Göttingen 1973, S. 493-512.

Gervinus, Georg Gottfried, Ueber Machiavel, son génie et ses erreurs. Par A. F. Artaud, Paris 1833, 1834, in: Ders., Gesammelte kleine historische Schriften. Karlsruhe 1838, S. 557-572.

Gervinus, Georg Gottfried, Geschichte der florentinischen Historiographie bis zum sechzehnten Jahrhundert nebst einer Charakteristik des Machiavell, in : Ders., Historische Schriften, Wien 1871, S. 3-218.

Gervinus, Georg Gottfried, Grundzüge der Historik. Leipzig 1837, in: Ders., Leben.Von ihm selbst, 1860, Leipzig 1893, S. 353-397.

Gervinus, Georg Gottfried, Leben. Von ihm selbst, 1860, Leipzig 1893.

Hübinger, Gangolf, Georg Gottfried Gervinus. Historisches Urteil und politische Kritik, Göttingen 1984.

Kohnle, Armin, Georg Gottfried Gervinus, in: Gelehrte in der Revolution, hrsg. v. Frank Engehausen u. Armin Kohnle, Ubstadt-Weiher 1998, S. 11-40.

Müller, Leonhard, Georg Gottfried Gervinus. Biographische Untersuchungen zur Entfaltung von Persönlichkeit und Weltbild, phil. Diss. Heidelberg (masch.)1950.

Oncken, Hermann, Gervinus und das Programm seines Lebens im Jahre 1832, in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung, hrsg. v. Hermann Haupt, Bd. 4, Heidelberg 1913, S. 354-366.

Polcar, Aleš, Machiavelli-Rezeption in Deutschland von 1792 bis 1858. 16 Studien, Aachen 2002.

Wagner, Jonathan F., Germany's 19th Century Cassandra. The Liberal Federalist Georg Gottfried Gervinus, New York u.a. 1995.

Wolgast, Eike, Politische Geschichtsschreibung in Heidelberg. Schlosser, Gervinus, Häusser, Treitschke, in: Semper apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1386-1986 Bd.2, Berlin u.a. 1985, S. 158-196.

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V. Thesen

Gervinus Auseinandersetzung mit Machiavelli führt zu keinen neuen Erkenntnissen. Ihre Bedeutung ist in den persönlichen Konsequenzen zu sehen: Gervinus erlangte durch sie die letzte Gewissheit über die Richtigkeit seiner Entscheidung, als Historiker politischen Einfluß nehmen zu wollen.

Gervinus Schrift stellt einen Versuch dar, gleichgesinnte Wissenschaftler für die politische Bildung - als Vorbereitung der nationalen Einheit in Freiheit - gewinnen zu wollen.

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